Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Mit Lily auf dem Brocken 20.07.2018 Seit nunmehr vier Jahren ist das „Tor zum Harz“ der von uns auserwählte Ort, den Lebensabend neu zu gestalten. Hier sind das soziale und kulturelle Umfeld viel ausgeprägter, als am Südbrandenburger Waldrand nahe Sachsen. Wann immer ich möchte, kann ich den Harz mit all seinem natürlichen Glanz in wenigen Minuten erreichen. Wann immer mir danach ist, kann ich den Brocken bestaunen, mich am Sonnenuntergang dahinter erfreuen. Seitdem ich hier bin, wuchs auch mein Wunsch, den Berg einmal zu Fuß bis zu seiner Spitze zu erwandern. Sogar einen Versuch haben wir unternommen, das Terrain per pedes zu erkunden. An jenem Tag haben wir gelernt, dass man früh starten muss, hat man einen Hund namens Lily an der Seite und einen Fotoapparat in der Hand. Speedwandern von Schierke zum Brockenplateau in reichlich zwei Stunden ist mein Ding nicht. Mein Alibi ist die kaputte Hüfte. Der Weg nach oben stünde mir damit zwar offen, der Abwärtsgang bliebe mir allerdings versagt. Diese Einsicht, dass dafür nur die Brockenbahn bleibt, führt dazu, das historische Gefährt gleich für beide Strecken in Anspruch zu nehmen. Im kalten Februar 2015 hatte diese Variante ihre Premiere. Der Brocken hat uns mit einem wundervollen Aufenthalt in der Höhe bei majestätischem Ausblick in die Ebene belohnt, mir unvergleichlich schöne Bilder in der Festplatte verewigt. Es war ein traumhafter Tag mit wundervollen Momenten in Schnee und Eis. Alle Fotos auf dieser Seite kann man durch Anklicken vergrößern. Drei Jahre später, an einem schwülwarmen Sommertag, steigen wir zum zweiten Male in Drei Annen Hohne in einen Wagen der Brockenbahn, um den „Aufstieg“ zu genießen. Vormittags gegen Zehn ist der Zug gefüllt, doch ich habe mir einen Stehplatz auf der Plattform gesichert. Stehend im Fahrtwind genieße ich das Erlebnis der ratternden Räder und lasse mir rußigen Dampf ins Gesicht wehen. Am Bahnübergang warten Autos und dann faucht die Lock hinein in den Nationalpark Harz. Die Fahrt bis zum Bahnhof Schierke dauert nur wenige Minuten, aber schon jetzt kann man viel Natur bestaunen und erste Blicke auf einige Berge erhaschen. Dann fährt der Zug in den Bahnhof ein, wo er richtig voll wird. Wenige Minuten später rattern die Räder, die Zugmaschine schnauft und zieht die Wagons, an steilen Hängen entlang, stetig bergan. An der rechten Seite verläuft ein Wanderweg parallel zum Gleis, links öffnet sich manchmal der Blick ins Tal, auf Schierke oder den gegenüber aufragenden Wurmberg. Hier sind auch wir mit Lily entlang gelaufen, haben den rosaroten Fingerhut bestaunt und haben in kleinen Bächen, die überall von oben herabsprudeln, nasse Schuhe bekommen. Dann erreicht der Zug genau jene Stelle, wo die alte Bob-Bahn die Gleise kreuzt. Eine Hütte lädt hier zur Rast ein. Bis hierhin haben es unsere eigenen Beine schon vor zwei Jahren geschafft, doch für den weiteren Aufstieg war dieser späte Nachmittag nicht mehr geeignet. An den Gleisen entlang liefen wir dann zum Bahnhof Schierke zurück, haben viel Natur entdecken können und den Reisenden der Schmalspurbahn gewunken. Jetzt stehe ich selbst auf einer Plattform und die Kreuzung huscht in Sekunden an mir vorüber. Meter um Meter gewinnen wir an Höhe, fahren wir an dichten wild wachsenden Wäldern entlang. Die Lichtungen geben den Blick frei, der inzwischen weit über den Harz schweifen kann. Noch weiter oben ragen schließlich kahle Fichtenstämme gen Himmel. Ganze Waldstücke wirken grau, abgestorben und geben ein bizarres, ja beinahe beängstigendes Panorama ab. Den Grund dafür kann man nur erahnen, ich vermute aber, dass die Nebenwirkungen des Industrie- und Kohlezeitalters schuld an dem Anblick sind. Zwar fahren wir hier ziemlich schnell vorbei, dennoch bleibt ein gruseliger Eindruck in mir haften. Irgendwo hier muss auch der Eckerlochstieg, eine steinige steile Abkürzung für die rüstigen Wanderer in Richtung Brocken, beginnen. Durchwandern werde ich diesen legendären Abschnitt aber wohl nicht mehr, meiner Hüfte sei „Dank“. Wir fahren nahe am Soldatenstein vorbei, einem Denkmal zu Ehren der Erbauer der Brockenbahn, und einen Kilometer weiter erreicht unser Zug den Betriebsbahnhof Goetheweg. Hier muss der Abwärtszug warten, um die schnaufende Lokomotive zum Brocken nicht auszubremsen. Goethe nahm diesen Weg, von Torfhaus kommend, um den „Berg der Deutschen“ zu besteigen. Dem Weg des großen deutschen Dichters kann man auch heute noch folgen. Dabei überwindet der Wanderer rund 400 Meter Höhe auf neun Kilometern Strecke. Im oberen Abschnitt verläuft der Weg neben dem Gleis, ehe der abbiegt und direkt zum Plateau führt, während die Bahn das Areal noch ein Mal umrundet. Danach kann sie in den Brockenbahnhof einfahren. Hier ist Endstation, höher geht’s nicht mehr. Wir steigen hier aus und haben nun Zeit, das sommerliche Brockenplateau zu erkunden. Eine Stunde vor Mittag sind noch nicht zu viele Menschen hier unterwegs. Wir haben Zeit, rundum bis in die Ebene sowie zu den anderen Bergkuppen zu schauen. Auf der einen Seite sind Wernigerode und auch Ilsenburg gut zu sehen. Bad Harzburg und Goslar verstecken sich hinter Bergen, aber die beiden Masten von Torfhaus recken sich stolz gen Himmel. Da haben wir auch schon gestanden und hierher auf den verschneiten Brocken geschaut. Jetzt ist es, trotz eines leichten Windes, schon sehr warm und sogar schwül. Lily mag die vielen Menschen nicht, die sich vor dem Brockenstein in Positur stellen, um eine fotografische Erinnerung mitnehmen zu können. Ich nehme die Hundelady auf den Arm, lasse ein Foto machen und dann gehen wir, um den Rundweg zu laufen. Der führt ein Mal um das ganze Plateau und auf diese Weise kann man, bei gutem Wetter, einen Blick über den ganzen Harz erhaschen. Heute ist gutes Wetter, nur ein wenig Dunst in der Ferne. Ich sehe einfach in das Tal und auf die Berge, die gegenüber aufsteigen. Dort erkennen wir das helle Band des Goetheweges und die Bahngleise daneben. Wir warten eine Weile und tatsächlich begegnen sich dort unten, geschätzt knapp zwei Kilometer Luftlinie, zwei Züge der Schmalspurbahn, die dunkle Fahne aus Ruß und Dampf ausstoßend. Daneben ragt der Wurmberg aus dem Tal, auf dem man die Skipisten für den nächsten Winter erkennen kann. Mein Blick schweift weiter über die Berge nach rechts und bleibt schließlich an den beiden Masten von Torfhaus haften. Es ist wie der Blick auf eine Miniatursiedlung in luftiger Höhe. Man kann den Rodelhang erkennen, sieht Ferienhäuser und der Eingeweihte weiß auch, wo er den Parkplatz suchen muss. Es ist ein Vergnügen, auf den robusten Holzabgrenzungen für den Kräutergarten zu sitzen, in die Ferne zu schauen und dennoch viele interessante Details zu entdecken. Sogar bis Clausthal-Zellerfeld schweift der Blick über die Bergketten, als vor uns schnaufend der Zug aus dem Tal die letzten Meter zum Brockenbahnhof stampft. Ein Bild wie aus einem Heimatfilm, fast unwirklich schön und dennoch Realität. Während wir all die Eindrücke genießen, hat Lily inzwischen Probleme mit den Wanderern, die wie wir auf dem Rundweg unterwegs sind. Sie sieht nicht mehr gut und wenn sie angesprochen wird, reagiert sie mit Gebell, ihrn Beschützinstinkt folgend. Manchmal nervt das, andere erschrecken sich, aber Lily gehört nun mal zu uns, ohne wenn und aber. Auf der anderen Seite steigen wir über Steine und Geröll wieder aufwärts und können dabei den fantastischen Blick in die weite Ebene zwischen Bad Harzburg bis Wernigerode und Thale genießen. Man sieht, wie sich die Städte in die Ausläufer der Berghänge einschmiegen und viele kleine Dörfer bis zum Horizont. Ich könnte mich hier oben hinsetzen und mit einem Fernglas stundenlang in die ausgebreitete Landschaft sehen. Lily hingegen hält davon rein gar nichts, sie ist müde und signalisiert das auch deutlich. Wir sind jetzt fast drei Stunden auf dem Plateau unterwegs. Der Hundedame zuliebe brechen wir hier ab und steigen in den völlig überfüllten Zug nach unten. Während Lily in Frauchens Armen einschläft, habe ich Gelegenheit, mit meinem Gegenüber zu reden. Engländer waren heute also auch auf diesem schönen deutschen Berg, aber auch Urlauber aus Dänemark und den USA haben wir hier oben getroffen. Einem „Selfie“ sieht man nicht an, dass einer aus Skandinavien auf den Auslöser gedrückt und dem Deutschen eine Freude bereitet hat.
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.